GENAWIF e.V. ist noch recht jung, dennoch war es uns wichtig, durch ein eigenes Labor auch die Möglichkeit zu haben, selbst unserer Forschung nachzugehen, da es sehr praktisch ist, Ideen einfach direkt und unkompliziert zu testen. Aber was könnten wir tun, wenn uns für eine Analytik ein Spezialgerät fehlt, was nicht zum Laborstandard gehört? Im Falle von Massen-Spektrometrie-Verfahren ist es in keinem Fall kosteneffizient, ein Gerät nur wegen einiger weniger Tests zu kaufen. Vor dieser Frage stehen wahrscheinlich auch viele Start-Ups im biotechnologischen oder medizinischen Bereich, denn oft fehlt es gerade am Anfang an Kapital, da dieses oft erst durch einen proof-of-principle eingeworben werden kann. Auf der anderen Seite braucht es allerdings Kapital, um einen proof-of-principle zu erbringen – es erinnert also an die „Henne und das Ei-Problematik“. Obwohl es unserem Verein für unsere aktuellen Projekte zum Glück nicht an Laborinfrastruktur fehlt, wollten wir uns auf diese Eventualität vorzubereiten, und haben dafür an einer Informationsveranstaltung teilgenommen, die genau dieses Thema behandelt.
Die Veranstaltung lief am 3. März 2022 digital unter dem Titel Start-ups und wissenschaftliche Einrichtungen durch den Zugang zu Laborgeräten und FuE-Kapazitäten fördern! “Kick-off des Clustermarket Marketplaces in der Metropole Ruhr!“ und wurde getragen von der Ruhruniversität Bochum (RUB) und dem Gastgeber Oliver Bohnkamp, Vorstandsvorsitzender des BioIndustry e. V. (https://www.bioindustry.de/), und Teil des Kompetenzzentrums für biologische Sicherheit, Biosecurity (https://www.bio-security.de/). Zentrales Thema war das Projekt KLIC.RUHR – Kompetenzverbund Lifesciences.Ruhr, welches das oben genannte Problem der Zugänglichkeit teurer Geräte adressiert. Hierbei gibt es zwei Aspekte, die das Projekt umfasst.
Der erste Aspekt ist die Schaffung eines Verbundes von Forschungseinrichtungen, um dadurch eine gemeinsame Infrastruktur an (speziellen) Laborgeräten und Laborräumen zu schaffen, auf die innerhalb (und außerhalb) des Verbundes zugegriffen werden kann. Zum Beispiel waren die Technologiezentren von Bochum, Witten, Dortmund und Bönen der erste Teil eines solchen Netzwerks, um Start-Ups, Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Institutionen Zugang zu allgemeiner und spezieller wissenschaftlicher Infrastruktur zu ermöglichen.
Der zweite Aspekt behandelt das Software-basierte Management dieser gemeinsamen Infrastruktur, also eine Auflistung der Infrastruktur (Geräte, Labore, Dienstleistung) und deren Auslastung. Dieser Aspekt wurde von Tobias Wingbermühle, einem der Gründer von Clustermarket (https://clustermarket.com/), vorgestellt. Interessant hierbei ist die Geschichte, wie sich das Ganze von einer internen Managementlösung zu einer internen und externen Vertriebsplattform entwickelt hat. Während der Erstnutzung ging es vor allem darum, Geräteauslastung und Nutzungsverhalten zu analysieren, und Daten zu den Geräten wie z.B. Instandsetzungen oder Eichdaten in einer Datenbank zu sammeln und für die betreffenden Nutzer zugänglich zu machen. Hierdurch entsteht dann ein Überblick, ob ein Gerät voll ausgelastet ist, oder ob es ungenutzte Kapazitäten für ein Gerät gibt. Diese Daten sind aus zweierlei Hinsicht interessant: ist ein Gerät voll ausgelastet, kann der entsprechende Datensatz z.B. dazu herangezogen werden, für die Anschaffung eines weiteren Gerätes in einem Förderantrag zu argumentieren. Ist ein Gerät hingegen nicht voll ausgelastet, kann darüber nachgedacht werden, das Gerät Nutzern von außerhalb zur Verfügung zu stellen, wodurch durch den Verleih (oder dem Angebot einer Dienstleistung) zusätzlich etwas Geld generiert werden kann.
Wenn Universitäten Geräte zur Nutzung anbieten, die aus öffentlichen Geldern finanziert wurden, muss allerdings im Vorhinein geklärt werden, ob dies auch erlaubt ist und nicht zu Problemen führt. Der Hintergrund ist hierbei, dass es sich ansonsten um eine staatliche Subventionierung eines Geräteverleihs handeln könnte, was privatwirtschaftliche Anbieter benachteiligen würde, deren Geräte oder Dienstleistungen nicht öffentlich gefördert wurden. Allerdings hat das Pilotprojekt laut Tobias Wingbehrmühle gezeigt, dass es für Universitäten durchaus möglich ist, Geräte, die z.B. aus einer DFG-Förderung hervorgegangen sind, auf Clustermarket zum Gebrauch anbieten zu können. Interessierte hätten daher die Möglichkeit, von den bisher gemachten Erfahrungen von Universitäten mit Clustermarket zu profitieren, indem auf Anfrage Hilfestellung bei der Kostenkalkulation eigener Angebote sowie der Abrechnung geleistet wird. Letztlich kann der Service von Clustermarket durch den Hintergrund, dass es sich um ein EU- und EFRE gefördertes Projekt handelt, kostenlos angeboten werden.
Zu der vorgestellten Plattform gab es viele interessante Rückfragen von Universitätsmitarbeitern oder Start-Ups, die bei der Veranstaltung vertreten waren, z.B. wie die Abrechnung läuft (Antwort: entweder durch Clustermarket oder vom Anbieter selbst) oder wie es mit Datenschutz aussieht (Antwort: die Server stehen in der EU in Deutschland und Frankreich mit Datenschutz nach EU-Recht). Ein Start-Up war explizit daran interessiert, wie es mit der Vertraulichkeit aussieht, z.B. wenn ein Gerät in einem Labor zur Nutzung angeboten wird, aber in dem Labor Prototypen stehen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. In diesem Fall sei es das einfachste, das Gerät einfach als Dienstleistung anzubieten, sodass das Start-Up die Proben zugeschickt bekommt und das Gerät selbst zur Analyse benutzt. Darüber hinaus enthielten die AGBs von Clustermarket Standard NDAs.
Eine weitere durchaus wichtige Frage drehte sich um die Haftung: was passiert, wenn ein zur Nutzung angebotenes Gerät durch einen externen Nutzer beschädigt wird? Und muss ein Anbieter haften, wenn ein Gerät falsch geeicht oder defekt ist und falsche Daten liefert? Im ersten Fall (Geräteschaden) würden die meisten Universitäten dies über ihre Haftpflichtversicherung regeln. Im zweiten Fall (fehlerhaft erzeugte Daten) wäre dies im Falle von universitären Anbietern meist über separate Nutzungs- oder Auftragsforschungsverträge geregelt, in denen hierfür die Haftung ausgeschlossen wird.
Welches Fazit ziehen wir für unseren Verein hieraus? Für uns ist es sehr nützlich zu wissen, dass es ein solches Angebot gibt, da die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß ist, dass wir auf eine spezielle Analytik oder ein spezielles Gerät angewiesen sein könnten, über die unser Verein selbst nicht verfügt. Da die Nutzung dieses Marktplatzes kostenlos ist, wäre die Hürde, sich hier nach der entsprechenden Dienstleistung umzusehen, gering. Auf der anderen Seite ist es durchaus vorstellbar, dass unser Verein in Zukunft selbst Dienstleistungen anbietet, wofür eine solche Plattform nützlich sein wird. Da clustermarket ein länderübergreifendes Angebot ist, wäre unser Vereinssitz in Aachen z.B. auch praktisch, die Plattform für nahe Nachbarn wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande zu nutzen. Letztlich muss erwähnt werden, dass unser Verein selbst noch keine Erfahrung mit Clustermarket gemacht hat. Wir finden das Wissen darüber, dass es eine solche Möglichkeit gibt, allerdings recht sinnvoll, und wollten es daher teilen für diejenigen, die vielleicht genau nach einer solchen Möglichkeit suchen.
Jan Borlinghaus, 17.03.2022